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Rezension: Dual Transformation

Lesedauer 6 Minuten

Es geht ein Gespenst um im Business, das Gespenst der Disruption. Anthony, Gilbert und Johnson liefern mit ihrem Buch „Dual Transoformation“ eine Anleitung, wie Unternehmen einerseits ihr bestehendes Geschäft schützen und gleichzeitig ihr zukünftiges entwickeln.


Dual Transformation: How to Reposition Today’s Business While Creating the Future

Scott D. Anthony, Clark G. Gilbert, Mark W. Johnson

Bewertung: 3 Sterne

Verlag: Harvard Business Review Press

Seiten: 272

ISBN: 978-1633692480

Jahr: 2017


Disclaimer

Eins vorweg: Ich habe meine Probleme mit einem der Autoren des Buchs: Clark G. Gilbert. Während seine Erfahrungen als Manager nicht wegdiskutiert werden können, besteht seine Karriere vor allem auf der Optimierung der Verbreitung religiöser Propaganda der Mormonen. Das Abfeiern seiner Erfolge im Buch bedeutet gleichzeitig, dass viele weitere Menschen mit einem mittelalterlichen Weltbild indoktriniert werden.

Der Punkt spielt bei der Bewertung des Inhalts keine Rolle – doch muss diese Kritik geäußert werden.

Grundlagen der dualen Transformation

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert:

  • Der erste Teil des Buchs widmet sich der Idee der dualen Transformation.
  • Der zweite Teil des Buchs beschäftigt sich mit dem Management der dualen Transformation.

Die drei Autoren liefern mit der Dual Transformation eine Synthese von Clayton Christenens The innovator’s dilemma und Competing against Luck und mischen es mit der Idee der organisationalen Ambidextrie. Die Autoren argumentieren, dass Unternehmen versuchen sollen, die Zukunft zu gestalten und nicht abzuwarten.

Scott D. Anthony und seine Kollegen verstehen Transformation nicht als einmalige Aktion. Im Gegensatz zu „normalen“ Transformation, die meist nur Umstrukturierung zur Kostenminimierung sind, geht es bei der dualen Transformation um einen andauernden Prozess.

Teil 1: Grundlagen der dualen Transformation

Die duale Transformation will gleichzeitig das bestehende Geschäft weiterentwickeln und neue Wachstumsmöglichkeiten erschließen. Die Strategie ist für Großunternehmen und Konzerne gedacht – für KMUs eignet sie sich nicht. Um das zu verstehen, gehen wir über zu den drei gleichzeitig ablaufenden und sich ergänzenden Teile der dualen Transformation:

  • Die Transformation A: Hier wird das bestehende Kundenproblem auf innovative Weise adressiert. Das Unternehmen entwickelt neue Lösungsansätze für bereits bekannte Herausforderungen seiner Kunden.
  • Die Transformation B: Diese zielt darauf ab, bisher unbearbeitete Kundenprobleme mit neuartigen Methoden zu lösen. Hier erschließt das Unternehmen neue Märkte und Kundengruppen.
  • Der Kapazitätslink C: Dieser verbindet die Transformationen A und B, indem er die gemeinsame Nutzung von Ressourcen ermöglicht.
Tranformation A ändert die Dimension Wie wir es machen.
Reansformation B ändert zwei Dimensionen: Was wir machen und wie wir es machen

Transformation A

Die Transformation A betrifft das aktuelle Kerngeschäft des Unternehmens und adressiert das Dilemma eines Innovators, also das Problem von erfolgreichen Unternehmen auf Innovationen zu reagieren. Dabei ändert das Unternehmen, wie es bekannte Kundenproblem löst. Diese neue Lösung soll dabei in einer Welt bestehen können, die durch disruptive Innovationen verändert wurde. Die Aktivitäten sind defensiv und sollen das bestehende Geschäft resilient gegen veränderte Marktbedingungen machen. Das Management treibt diese Transformation aggressiv im Unternehmen voran. Die Transformation A sorgt für die Einnahmen, um die Transformation B zu finanzieren.

Als eines der Beispiele nehmen die Autoren Netflix. Angefangen hat das Unternehmen als DVD-Abo-Dienst, der sich zu einem Streaming-Anbieter gewandelt hat. Dabei löst Netflix weiterhin das gleiche Kundenproblem: Entertainment durch Filme und Serien zu fixen Kosten. Nur die Art und Weise, wie das Problem gelöst wird, hat sich geändert. Statt DVDs per Post zu verschicken und die von den Kunden zurückgeschickten anzunehmen, verteilt Netflix die Filme und Serien heute per Internet.

Ein wesentliches Merkmal erfolgreicher Transformation A sind neue Kennzahlen zur Erfolgsmessung. Während für den DVD-Versender Netflix die Versandraten und niedrige Lagerbestände von Bedeutung waren, sind es für den Streaming-Dienstleister die Streaming-Stunden pro Kunde.

Transformation B

Transformation B hat die Aufgabe, neue Kundenprobleme zu identifizieren und innovative Lösungen zu finden. Dies adressiert die Chancen des Innovators, also die Möglichkeit durch eigene Handlungen neue Einnahmequellen zu erschließen. Dieser neu zu schaffende Wachstumsmotor bleibt getrennt vom bestehenden Geschäft und wird durch eine neue Geschäftseinheit realisiert. Wenn im Folgenden von Transformation B die Rede ist, ist dies ein Synonym für diese Einheit. Die Transformation B erfordert einen iterativen, Testen-und-Lernen Ansatz. Das Management agiert proaktiv und sucht nach Kundenproblemen, die diese aufgrund fehlender Kompetenzen, Ressourcen oder Zeit nicht zufriedenstellend lösen können.

The best predictor of future behavior is past behavior. If people are spending significant time and money trying to solve a problem, that’s a good signal they will welcome cheaper or more accessible solutions. If they say the problem matters to them but their behavior shows otherwise, you can expect to struggle.

Scott D. Anthony, Clark G. Gilbert, Mark W. Johnson

Transformation A darf Transformation B nicht beeinträchtigen. Nur das Management und ausgewählte Kapazitäten sind für die Verbindung der beiden Unternehmensbereiche verantwortlich. Die Autoren präsentieren einen ebenso simplen wie effektiven Leitsatz: „A macht A; B macht B“.

Ein Beispiel für solch eine Transformation ist AWS. Ursprünglich Teil der Infrastruktur von Amazon, ist dieser Teil heute der größte Anbieter von Cloud-Lösungen. Amazon hat damit einen mutigen Schritt gewagt: weg vom Onlineshop mit schlanker Logistik hin zum Cloud-Anbieter für Unternehmen.

Ein Zeichen für Transformation B sind neue Wettbewerber. Als Versandhändler konkurriert Amazon mit anderen Händlern; als Cloud-Anbieter mit IBM und Google.

Kapazitätslink C

Innovating faster than the marked is next to impossible. Innovating better than the market is not.

Scott D. Anthony, Clark G. Gilbert, Mark W. Johnson

Der Kapazitätslink C beschreibt die gemeinsam genutzten Ressourcen des Unternehmens. Die Autoren betonen die Notwendigkeit einer sorgfältigen, strategisch motivierten Auswahl dieser. Nach den Autoren war es nie einfacher ein Unternehmen zu gründen, was auch bedeutet, dass es noch nie einfacher war eines zu kopieren. Das Problem ist das neue Unternehmen zu skalieren. Der Kapazitätslink C gibt den nötigen einen Vorteil gegenüber StartUps und Konkurrenten, da diese nicht auf solche Ressourcen zugreifen können. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die aus dem Kerngeschäft mitgenutzten Kapazitäten die Transformation B nicht behindern dürfen.

Der Kapazitätslink C verbindet beide Geschäftsteile und sorgt für einen unfaire Vorteil beim erschließen neuer Märkte

Das Management wählt die geteilten Kapazitäten nach der Frage aus: Was bringt uns wirklich einen Wettbewerbsvorteil. Viele Manager denken, dass die Ressourcen im Unternehmen kostenlos für neue Geschäftsfelder zur Verfügung stehen. Doch das ist ein Irrtum, da sie immer mit dem Preis kommen, sie mit dem Kerngeschäft zu teilen. Das kann zu Verteilungskämpfen und Verzögerungen führen.

Teil 2: Management der dualen Transformation

Im zweiten Teil des Buches widmet sich die Autoren der Aufgabe, die duale Transformation zu steuern. Die gegebenen Tipps sind banal und gesunder Menschenverstand. Weder überrascht, dass Führungskräfte den Mut brauchen mit einer unklaren Datenlage Entscheidungen zu treffen, noch dass sie sich auf die Chancen mit dem größten Potenzial konzentrieren müssen. Der Rat neugierig zu sein und neue Wege zu beschreiten hat jeder schon 1000 mal gehört.

Der beste Teil des Buchs

Der beste Teil des Buches sind die abschließenden Kapitel 8 und 9. Im ersten beschreiben die Autoren anhand des fiktiven Beispiels eines CEOs die Konflikte während der dualen Transformation. Im zweiten Präsentieren die Autoren Ausschnitte aus Interviews mit verschiedenen CEOs, die eine duale Transformation angingen. Beide Kapitel drehen sich vor allem um die Herausforderungen und Kriesen während der Transformation.

Konflikte während der Transformation

Konflikte zwischen den Unternehmensteilen sind eine unvermeidliche Herausforderung für Führungskräfte. Sie müssen von gemanagt und Verteilungsfragen beantwortet werden. Die Autoren raten, Transformation B leicht zu bevorzugen. Sonst frisst das bestehende Geschäft alle Bemühungen, etwas Neues zu starten.

Denn eines ist sicher: Transformationen funktionieren nur, wenn die Menschen überzeugt sind, den Weg mitzugehen! Für die duale Transformation bedeutet das: Die Mitarbeiter im bestehenden Geschäft beruhigen und im neuen Geschäft begeistern. Das Zitat zum Erinnern stammt aus dem Interview mit Mark Bertolini, damals CEO und Chairman von Aetna:

“It’s easy to underestimate the amount of communication that is needed. You have to be tireless about it, consistent and persistent, and keep battering the core messages home week after week. […] A person working in a call center might need a different set of messages to understand how he docks in to the big picture than a line manager, and so on. Communication is an ongoing challenge, but I try to make it easier by creating a company culture consistent with our vision, including being approachable and available to everyone who works here.“

Mark Bertolini

Der Rest

Die Autoren schließen das Buch mit einer Sammlung an Tools für die Transformation. Einige davon sind nützlich, andere nicht.

Fazit

Ich finde die Idee der dualen Transformation interessant, kann das Buch jedoch nicht uneingeschränkt empfehlen.

Die Autoren erklären gut, wie man bestehende Geschäfte weiterentwickeln und gleichzeitig neue Einnahmequellen erschließen kann. Allerdings ist dieses Konzept nicht neu. Es ähnelt stark der Ambidextrie und hat Parallelen zur Three Box Solution.

Im ersten Teil des Buches wird die duale Transformation ausführlich erklärt. Dieser Teil ist gut, könnte jedoch kürzer sein. Der Abschnitt mit den Tipps zum Management der Transformation enttäuscht. Hier bietet das Buch wenig Neues. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Autoren eine bestimmte Seitenzahl erreichen wollten.

Gegen Ende wird das Buch wieder besser. Besonders die fiktive Geschichte mit dem CEO und die Interviews mit echten CEOs, die darauf aufbauen, sind spannend. Davon wünsche ich mir mehr.

Insgesamt bietet das Buch wertvolle Einsichten, hat aber Schwächen, die den Gesamteindruck trüben.

Autoren

Scott D. Anthony

Scott D. Anthony ist Innovations- und Strategieexperte. Als Managing Director und Managing Partner Emeritus bei Innosight hat er sich einen Namen gemacht. Anthony ist Professor an der Tuck School of Business des Dartmouth College und lehrt „Leading Disruptive Change“. Außerdem wurde er von Thinkers50 in die Liste der einflussreichsten Denker aufgenommen.

Clark G. Gilbert

Clark G. Gilbert war von 2017 bis 2021 Präsident von BYU-Pathway Worldwide, einer weltweit agierenden religiös fundamentalistische Bildungseinrichtung. Sie ist aus dem PathwayConnect-Programm von BYU–Idaho hervorgegangen. Zuvor war Gilbert CEO von Deseret News und Deseret Digital Media, einem von den religiösen Überzeugen der Kirche beeinflussten Medienunternehmen.

Mark W. Johnson

Mark W. Johnson beschäftigt sich mit Wachstumsstrategien und gründete zusammen mit Clayton Christensen das Beratungsunternehmen Innosight. Bekannt ist er für die Entwicklung der „Future-Back“-Strategie. Vor seiner Zeit bei Innosight war es Berater bei Booz Allen Hamilton und Offizier in der US Navy.

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