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Idealität und Innovationen

Lesedauer 5 Minuten

Was ist ideal? Eine ehemalige westberliner NDW Band. Ein Online-Zahlsystem in den Niederlanden. Als „Inbegriff der Vollkommenheit“ bezeichnet es der Duden. Auf die letzte Bedeutung bau die Idealität auf. Sie wird in der TRIZ beschrieben. TRIZ ist die „Theorie des erfinderischen Problemlösens“.

Im Ursprung hilft TRIZ beim Lösen technischer Probleme und Entwicklungen. Ursprünglich vor allem bei mechanischen Systemen. Allerdings wird TRIZ beständig weiterentwickelt und lässt sich u.a. auch bei Prozessverbesserungen anwenden. Und auf Softwareentwicklung.

Das Konzept der Idealität hilft bei der Suche nach Innovationen. Allerdings besitzt es einige Schwächen. Um diese dreht sich dieser Artikel. Zunächst klären wir aber was das Konzept eigentlich umfasst.

Was ist Idealität nach TRIZ?

TRIZ definiert die Idealität als Nutzen der Lösung minus ihrer schädlichen Effekte und geteilt durch die Kosten:

    \[Idealität = \frac{\sum nützliche Funktion - \sum schädliche Effekte}{\sum Kosten}\]

Um die Idealität eines Produkts zu erhöhen, muss also sein Nutzen vergrößert werden. Gleichzeitig sollten die Kosten und schädlichen Nebeneffekte verringert werden. Als Zielrichtung für die Entwicklung lässt sich aus diesen Überlegungen ein ideales Endresultat (IER) formulieren.

Dieses IER hat den höchsten denkbaren Nutzen und dabei keinen Aufwand und verursacht keine Schäden. Das IER ist SciFi. Nicht durch die Realisierbarkeit eingeschränkt. Immer verfügbar. Ohne Aufwand und bequem nutzbar. Es ist ein Fixpunkt, auf den die Entwicklung hinarbeitet.

Das ideale Endresultat dient als Orientierungspunkt bei der Entwicklung technischer Problemlösungen

Die Evolution technischer Systeme und ihre Auswirkung auf die Entwicklung

Die Analyse der Vergangenheit hat nun eine Gesetzmäßigkeit bei der Evolution technischer Systeme gezeigt:

„Technische Systeme entwickeln sich in Richtung einer Erhöhung ihrer Idealität.“

Koltze, Souchkov 2011, S. 371 KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt-und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.
Die Idealität einer Lösung erhöht sich über Technologiewechsel hinweg

Die Zunahme an Idealität des Systems erfolgt damit auch über Technologiewechsel. Weitergedacht bedeutet die Entwicklung eines Systems zu höherer Idealität:

  1. Systeme und Maschinen verschwinden, doch Funktionen bleiben
  2. „Das ideale Endresultat ist eine universelle Zielvereinbarung, die weitestgehend zeit- und marktunabhängig ihre Gültigkeit behält.“Koltze, Souchkov 2011, S. 39 2KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt-und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.

Verschiedene Sichtweisen auf eine Lösung

Triz entstand aus der Analyse tausender Patente. Daraus wurden die vorher beschriebenen Gesetzmäßigkeiten abgeleitet. Innerhalb der Triz herrscht daher ein Fokus auf das Technische. Auch die Idealität besitzt dieses Problem. Eine ideale technische Lösung ist etwas anderes als eine ideale Lösung für Nutzer. Selbst innerhalb eines Unternehmens haben verschiedene Stakeholder unterschiedliche Sichtweisen auf ein Problem.

Im Folgenden sind verschiedene Sichtweisen beschrieben. Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht dabei nicht.

NutzenKostenSchaden
MaschineFunktionInvestitionen um Funkton zu erfüllenDurch die Funktionserfüllung verursachte unerwünschte Nebeneffekte
NutzerPositiver Einfluss auf EntscheidungInvestition bis zur Erbringung des NutzensVerhindert andere Tätigkeiten oder beeinträchtigt Leben
UnternehmenEinnahmen, Verbesserte WahrnehmungAlles zur Herstellung, Vertrieb und AuslieferungOpportunitätskosten, Verhinderung eines anderen Geschäfts
ShareholderRenditeInvestitionVerringerung Nutzen in anderem Investment
MitarbeiterEinkommen und persönliche BefriedigungAufgewendete ZeitKannibalisierung des aktuellen Tätigkeitsfeldes; Einsatz der Gesundheit
Umwelt Nutzen menschlicher Eingriffe begrenzt Kosten und Schaden nicht differenzierbar Kosten und Schaden nicht differenzierbar
Idealität aus Verschiedenen Blickwinkeln

Ideales Endresultat aus Sicht der Technik

Ein IER aus Sicht der Technik nennt die TRIZ Ideale Maschine. Sie entspricht dem oben beschriebenen Zustand: Erfüllt die Funktion, ohne selbst vorhanden zu sein. Umgesetzt wird eine Erhöhung der Idealität durch eine von vier Möglichkeiten:

  1. Die neue Lösung erhält neue nützliche Funktionen oder verbessert die vorhandenen. Dabei entstehen keine neuen Aufwände oder Schäden.
  2. Unnötige Funktionen werden eingespart. So können Aufwand und Schäden verringert werden.
  3. Eine Kombination von a und b wird umgesetzt.
  4. Als letztes kann eine massive Verbesserung der Funktion bei nur geringer Erhöhung des Aufwands die Idealität verbessern.

Was ist ideal für einen Kunden bzw. Nutzer und welche Anforderungen hat dieser an eine Lösung?

Auf den ersten Blick gleichen sich der Nutzen aus Sicht der Technik und des Nutzers. Allerdings haben Menschen noch zusätzliche Anforderungen. Vor allem Konsumenten bewerten eine Lösung nicht nur nach ihrem primären Nutzen. Die Erhöhung des sozialen Ansehens, ein gutes Gewissen etc. pp. spielen ebenfalls eine Rolle. Selbst im B2B werden Kaufentscheidungen von Menschen getroffen. Sie sind somit auch nie frei von Emotionen.

Die Kosten entsprechen allen Investitionen bis der Nutzen erbracht ist. Sie umfassen nicht nur finanzielle Aspekte. Auch investierte Zeit zählt dazu. Auch für den Nutzer können Schäden durch die Nutzung einer Lösung entstehen. Sie verhindern z.B. andere Tätigkeiten. Oder beeinträchtigt das Leben des Nutzers. Facebook sieht sich entsprechenden Vorwürfen konfrontiert.

Was ist eine ideale Lösung für ein Unternehmen?

Ein Unternehmen vertreibt Produkte oder Dienstleistungen. Eine ideale Maschine, also eine nicht vorhandene, dürfte schwer zu verkaufen sein. Gucken wir was die drei Aspekte der Idealität für ein Unternehmen sind:

  1. Nutzen: Einnahmen und verbesserte Wahrnehmung bei Kunden
  2. Kosten: Alles zur Herstellung, Vertrieb und Auslieferung erforderliche
  3. Schaden: z.B. Opportunitätskosten oder die Verhinderung eines anderen Geschäfts

Hier zeigt sich ein Wiederspruch zur idealen Maschine, wie sie im TRIZ beschrieben wird. Dieser muss bei der Entwicklung berücksichtigt werden.

Eine ideale Lösung für einen Stakeholder

Ein Anteilseigner an einem Unternehmen hat viele Interessen. Der Einfachhalt halber reduzieren wir ihn hier auf das finanzielle Gewinnstreben. Wobei das eigentliche Ziel nicht maximale Gewinne, sondern eine maximale Kapitalrendite ist. Also einen möglichst hohen Gewinnanteil auf das eingesetzte Kapital.

Der Vergleich mit der Idealität zeigt klar:

  1. die nützliche Funktion ist der Gewinnanteil und
  2. die Kosten sind der Kapitaleinsatz.

Aber was ist der Schaden? Verringerte Gewinnanteile bei den anderen Investitionen zählen darunter. Ist der Stakeholder nicht so eindimensional wie hier angenommen zählt hier noch viel mehr zu.

Genau wie beim Unternehmen als Ganzes ist das ideale Produkt für den Stakeholder nicht das IER.

Was ist ideal für Mitarbeiter?

Der Nutzen für Mitarbeiter setzt sich hauptsächlich aus Einkommen und Befriedigung durch die ausgeübte Tätigkeit zusammen. Die aufgewendete Zeit entspricht den Kosten. Eine Tätigkeit kann verschiedene schädliche Bestandteile besitzen. Einige erfordern den Einsatz der Gesundheit des Mitarbeiters. Manchmal kannibalisiert eine Tätigkeit den Arbeitsplatz des Mitarbeiters. Diese sind in der Regel nicht davon angetan. Zu beobachten z.B. bei Bosch und VW.

Für die Umwelt sind viele Lösungen alles andere als Ideal

Die Erfahrung lehrt, dass Eingriffe des Menschen in die Umwelt selten einen Nutzen für diese haben. Eingriffe in komplexe Systeme haben meist nicht vorhersehbare Auswirkungen. Für die Umwelt ist eine Verringerung der Eingriffe das nützlichste Resultat. Kosten und Schäden sind für die Umwelt identisch.

Für die Umwelt ist jede Verringerung des Eingriffs gut. Wenn man allerdings bedenkt, dass alle Lebewesen in ihre Umwelt eingreifen und menschliches Leben ohne Eingriff nicht möglich ist, stellt eine effizientere und effektivere Nutzung der Eingriffe eine Erhöhung der Idealität dar.

Fazit

Die Idealität ist ein zentrales Konzept der TRIZ. Allerdings hat der Blickwinkel verschiedener Stakeholder starken Einfluss auf die ideale Lösung. Ohne Zweifel hat sich das Konzept bei der Lösungssuche als hilfreich erwiesen. Doch dürfen die anderen Sichtweisen nicht außer Acht gelassen werden. Produkte technisch weiterzuentwickeln ist ein hehres Ziel. Es kann aber nicht die einzige Motivation sein.

Quellen

  • 1
    KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt-und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.
  • 2
    KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt-und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.
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