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Technologielebenszyklus – Das Leben einer Technologie

Lesedauer 7 Minuten

Technologie ist eines der Schlagworte unserer Zeit. Heilsbringer für ökologische, soziale und ökonomische Probleme. Quelle überdurchschnittlicher Erträge am Kapitalmarkt. Die Kenntnis des Technologielebenszyklus ist entscheidet um qualifizierte Entscheidungen zu treffen.

Beherrschte Technologien ermöglichen eine Differenzierung von der Konkurrenz. Gleichzeitig kann sie für viele Produktgruppen eingesetzt werden. So kann die mRNA-Technologie, die zur Zeit zur Herstellung von Covid19 Impfstoffen genutzt wird, auch für Therapien gegen Krebs, Mukoviszidose und die Folgen von Herzinfarkten eingesetzt werden.

Ein Unternehmen muss sich intensiv mit Technologien auseinandersetzen, um diese gewinnbringend einzusetzen. Im Allgemeinen wird dies als Technologiemanagement bezeichnet. Dabei wird die Entwicklung bekannter und neuer Technologien beobachtet und ihr Potenzial bewertet.

Dazu muss der Lebenszyklus einer Technologie eingeschätzt werden. Um dies sinnvoll zu betreiben ist fundiertes Wissen über die Technologien nötig. Kenntnisse allgemeiner Entwicklungsmuster des Technologielebenszyklus helfen ebenfalls.

Key Takeaways
  • Die Konkurrenzfähigkeit mit dem Wettbewerb stellt das Technologiemanagement sicher. Dazu werden technologische Fähigkeiten aufgebaut und weiterentwickelt.
  • Technologien lassen sich in drei Kategorien einteilen: Schrittmacher-, Schlüssel- und Basistechnologien.
  • Ein Technologiewechsel wird zum Ende des Lebenszyklus nötig. Dabei hilft das Modell der S-Kurve.
  • Technologien haben harte und weiche Grenzen. Erstere sind durch die Physik begrenzt, letztere durch den Ressourceneinsatz.
  • Die Entwicklung einer Technologie folgt in vielen Fällen einem Entwicklungsmuster:
    • höhung der Leistungsfähigkeit
    • Verringerung des nötigen Aufwands
    • Die Berichterstattung über eine Technologie kann hilfreich bei ihrer Bewertung sein

Eine kurze Einführung in das Technologiemanagement

Das Technologiemanagement beschäftigt sich mit dem Potenzial von Technologien und den technologischen Fähigkeiten eines Unternehmens. Die Beherrschung einer Technologie schafft einen Wettbewerbsvorteil und ermöglicht die Differenzierung. Wie eingangs erwähnt ermöglicht Technologien lassen sich in verschiedenen Produkten bzw. Anwendungen einsetzen.

Ausgangspunkt technologischer Entwicklungen ist meist neues Wissen aus den Natur- oder Ingenieurswissenschaften. Mit diesem Wissen können neue Technologien entwickelt werden, die ein Unternehmen in Produkte und Anwendungen einsetzt. In dieser Form erreicht eine Technologie dann den Markt.

Der beschriebene Ablauf stellt einen klassischen Technologie-Push dar. Eine neue Technologie ermöglicht schlussendliche neue Anwendungen, die sich am Markt durchsetzen. Der umgekehrte Weg wird als Marked-Pull bezeichnet. Der Markt benötigt neue Anwendungen. Diese können aber nur durch neu zu entwickelnden Technologien bedient werden. 1Specht D., Behrens S. (2008) Strategische Planung mit Roadmaps — Möglichkeiten für das Innovationsmanagement und die Personalbedarfsplanung. In: Möhrle M.G., Isenmann R. (eds) Technologie-Roadmapping. VDI-Buch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-74755-0_8

Technologien in ihrem Lebenszyklus

Eine idealisierte Beschreibung eines Technologielebenszyklus besteht aus den drei Technologietypen: Schrittmacher-, Schlüssel- und Basistechnologien. Dies stellt eine idealisierte Beschreibung des Lebenszyklus. Nicht jede Technologie durchläuft diese Stufen. Einige erreichen nie die letzte Stufe. Auch ist in der Realität die Abgrenzung zwischen den einzelnen Stufen schwierig.

  • Schrittmachertechnologie: Befinden sich am Anfang ihres Lebenszyklus. Sie besitzen noch keine Marktreife, aber erkennbares Potenzial. Diese Technologien benötigen die größten Investitionen in FuE. Daher ist eine selektive Auswahl der erfolgversprechendsten nötig.
  • Schlüsseltechnologie: Diese haben den Status als Schrittmachertechnologie hinter sich gelassen und befinden sich in einer Phase des Marktwachstums. Da der Zugang zu ihnen noch begrenzt ist ermöglichen sie eine Differenzierung vom Wettbewerb. In dieser Stufe sind die Investitionen in die Entwicklung am größten.
  • Basistechnologie: Sie Entwickeln sich aus Schlüsseltechnologien. Sie entsprechen dem aktuellen Standard und sind allen Wettbewerbern zugänglich. Die Investitionen werden zurückgefahren und Gewinne abgeschöpft.

Im Allgemeinen nimmt die Unsicherheit über die Leistungsfähigkeit einer Technologie in ihrem Lebenszyklus ab und die Verfügbarkeit zu. Das heißt, dass eine Basistechnologie sich nicht mehr zur Differenzierung eignet.

Typische Entwicklungsmuster im Technologielebenszyklus

Für die Entwicklung der Theorie des erfinderischen Problemlösens (TRIZ) analysierten Altschuller und seine Kollegen eine Vielzahl von Patentschriften aus dem industriellen Umfeld. Dabei wurden wiederkehrende Muster bei der Weiteentwicklung von Technologien identifiziert. Zwar verlaufen nicht alle nach diesem Muster, allerdings bieten sie trotzdem einen guten Ausgangspunkt für Analysen. 2KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.

Entwicklungsschritte

Die S-Kurve einer technischen Entwicklung über den Lebenszyklus. Mit weicher und harter Grenze und Idealität. In Anlehnung an KOLTZE UND SOUCHKOV S. 1433KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.
Die typischen Schritte der technischen Entwicklung im industriellen Umfeld. In Anlehnung an KOLTZE UND SOUCHKOV S. 1414KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.

Die ersten Entwicklungsschritte sind langwierig. Wenige bahnbrechende Ideen sind dafür nötig. Wenn die grundlegende Funktion der Technologie sichergestellt ist, beschleunigt sich die Entwicklung, bis die Sättigungsgrenze der Leistungsfähigkeit erreicht wird. Trägt man die Leistungsfähigkeit über den nötigen Aufwand in einem Diagramm ein entsteht eine S-Kurve. Beschrieben wurde dies von Richard N. Foster während seiner Zeit bei McKinsey.

In der Regel läuft die Entwicklung in drei Schritten ab:

  • Zuerst wird die fehlerfreie Funktion sichergestellt
  • Anschließend wird die Leistungsfähigkeit „um jeden Preis“ erhöht
  • Zuletzt steht die Erhöhung der Effizienz unter Beibehaltung der Leistung auf der Agenda

Im Laufe der Entwicklung erhöht sich die Idealität. Dabei ist nicht die maximale Leistungsfähigkeit das Ziel, sondern ausreichender Nutzen bei minimalem Aufwand. Eine Technologie wird so lange entwickelt, bis sie ihrer Umwelt am meisten nützt. In der TRIZ wird die Umwelt als Obersystem bezeichnet. 5KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.

Grenzen der Entwicklung

Bei der technischen Entwicklung treten zwei Arten von Grenzen auf: Harte und weiche. 6Löffler K. (2013) Technische Limits. In: Abele T. (eds) Suchfeldbestimmung und Ideenbewertung. FOM-Edition (FOM Hochschule für Ökonomie & Management). Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02184-9_3

  1. Harte Grenzen werden durch die Physik vorgegeben. Sie lassen sich auch mit viel Aufwand nicht durchbrechen. Die S-Kurve flacht ab und nährt sich der Grenze asymptotisch.
  2. Weiche Grenzen erfordern einen erhöhten Aufwand, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.

Jedes Limit erfordert eine Entscheidung:

  1. Die Technologie weiter optimieren?
  2. Sie substituieren?
  3. Kann die nicht zufriedenstellende Funktion kompensiert werden?
  4. Wird aus der Technologie ausgestiegen?
Die Verringerung der Leistngsfähigkeit beim Wechsel einer Technologie

Der Wechsel einer Technologie hat einen entscheidenden Nachteil: Zum Zeitpunkt der Substitution ist die neue Technologie nicht so leistungsfähig wie die Aktuelle. Bis das gleiche Level erreicht ist wird einige Zeit vergehen und einiges an Investitionen in die Entwicklung nötig sein. Allerdings wird die neue Technologie mit der Zeit leistungsfähiger als die aktuelle. Eine Substitution muss daher genau vorbereitet werden. Dafür sind tiefgreifende Analysen nötig.

Berechnung der S-Kurve des Lebenszyklus

Theoretisch lassen sich aus Vergangenheitsdaten und bei Kenntnis der Leistungsgrenze einer Technologie ihre S-Kurve berechnen. Da die S-Kurve nur ein Modell der Realität darstellt muss das Ergebnis solch einer Rechnung immer hinterfragt werden. Davor sollte sich der Anwender bewusstwerden, ob die so erstellte Prognose ihm wertvolle Informationen verschafft oder er sich nur in der scheinbaren Sicherheit einer mathematischen Berechnung wiegt. Fällt die Entscheidung auf die Berechnung läuft diese in drei Stufen ab:

  1. Vergangenheitsdaten auftragen. Der Aufwand wird meist in Mannjahren berechnet.
  2. Grenze der Leistungsfähigkeit bestimmen
  3. Aus drei Datenpunkten S-Kurve berechnen

Es fehlt nur noch ein mathematisches Modell. Anbieten tun sich die logistische oder Gompertz-Funktion.

Logistische Funktion

Diese Funktion entspricht der gezeichneten S-Kurve. Sie ist symmetrisch. In ihrem Wendepunkt liegt das größte Wachstum vor.

    \[f(A) = \frac{ G }{1+e^{-k \cdot G \cdot A} \left( \frac{ G }{ f(A_{0})}-1 \right) }\]

Mit A = Aufwand, f(A) = Leistungsfähigkeit, G = Max. Leistungsfähigkeit, f(A0) = Leistungsfähigkeit bevor Aufwand investiert wurde, k = Wachstumsrate

Gompertz-Funktion

Diese Funktion ist asymmetrisch. Das Wachstum nimmt zur Sättigungsgrenze stärker ab. Sie nährt sich also langsamer der Sättigungsgrenze.

    \[(A) = G \cdot e ^{ -b \cdot e ^ {-c \cdot A} }\]

Die Bedeutung von A, f(A) und G bleibt gleich, b verschiebt die Funktion nach rechts, c ist das Steigungsmaß. Beide sind immer positiv.

Wahrnehmung von neuen Technologien

Neben der Untersuchung historischer Entwicklungsmuster über die Leistungsfähigkeit einer Technologie kann auch die öffentliche Rezeption ein Gratmesser darstellen. Der Gartner Hype Zyklus ist solch ein Modell. Entwickelt wurde er von Jackie Fenn für die Unternehmensberatung Gartner.

Der Technologielebenszyklus mittels Gartner Hype Zyklus

Genutzt wird der Zyklus, um Hype und Machbarkeit von neuen Technologien einzuordnen. Das Tool soll dabei helfen überzogene Erwartungen, Rauschen der Berichterstattung und kommerzielles Potenzial zu separieren. Gleichzeitig hilft er bei der Bestimmung des Einstiegszeitpunkts.

Der Zyklus beruht auf Beobachtungen der Berichterstattung über neue Technologien. Diese folgt in der Regel einer fünfstufigen Abfolge:

Exemplarische Darstellung eines Gartner-Hype-Zyklus. In Anlehnung an FENN 7https://www.gartner.de/de/methoden/hype-cycle
  • Anfangserfolge lösen einen Hype in der Berichterstattung aus. Genannt der technologische Auslöser.
  • Berichterstattung führt zu Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten. Diese Stufe wird als Gipfel der überzogenen Erwartungen bezeichnet.
  • Enttäuschung macht sich breit. Daher der Name Tal der Enttäuschung. Die Anfänglichen Erwartungen konnten nicht erfüllt werden. Der Markt bereinigt sich.
  • Auf dem Pfad der Erleuchtung kristallisieren sich erfolgsversprechende Anwendungen heraus. Die nächste Produktgeneration erscheint.
  • Die Einführung in den Massenmarkt beginnt. Die Leistungsfähigkeit der Technologie ist verstanden. Das Plateau der Produktivität ist erreicht. Allerdings erreicht sie nicht mehr das Level an Berichterstattung wie zu Beginn ihres Lebenszyklus.

Manche Technologien durchlaufen den Zyklus nicht komplett und andere überspringen Stufen. Einige durchlaufen den gleichen Schritt mehrfach. Ein Beispiel für den Zyklus aus dem Jahr 2021 gibt es bei der Netzwoche.

In der Vergangenheit hat der Hype Zyklus seine Fähigkeiten gezeigt. So konnte mit Hilfe des Tools 1999 erfolgreich das Platzen der Dotcom Blase vorhergesagt werden. Allerdings prophezeite es auch 1995 das Ende des Internets. Eine grandiose Fehleinschätzung. Wie bei allen Modellen für die Prognose der Zukunft ist also Vorsicht geboten.

Fazit

Technologien führen ein Leben. Von ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Ablösung durch leistungsfähigere. Aufgabe des Technologiemanagements ist es die Entwicklung zu beobachten und die Nutzung im Unternehmen zu planen. Dazu ist Wissen über typische Technologielebenszyklen nötig.

Ein Teil der Herausforderung besteht im Timing eines Technologiewechsels. Wann wird eine bekannte Technologie nicht mehr genutzt und in eine neue investiert? Diese Frage ist entscheidend für den zukünftigen Erfolg eines Unternehmens. Und sein Innovationsfähigkeit.

Um die Entscheidung zu unterstützen, existieren verschiedene Tools, Methoden und Modelle. Einige sind in diesem Artikel vorgestellt. Alle sind mit Vorsicht zu genießen. Jedes hat in der Vergangenheit danebengelegen. Als wissenschaftliche Hypothese sind sie alle widerlegt.

Als Orientierungshilfe sind sie trotzdem nützlich. Zumindest helfen sie bei der Kommunikation zwischen Experten. Und Expertentum ist das A und O bei der Beobachtung von Technologien. Ohne Expertenwissen hilft das beste Modell und die schönste mathematische Formel nicht weiter.

Es sollten auch immer mehrere Methoden im Technologiemanagement genutzt werden. Sich auf eine einzelne zu verlassen, führt schnell in eine Sackgasse.

Bei alldem darf niemals vergessen werden, dass es sich um rein technische Betrachtung handelt. Für erfolgreiche Innovationen muss immer der Markt mit einbezogen werden. Die tollste neue Technologie hilft niemandem, wenn sie keine Anwendungsfelder besitzt. Ziel ist immer so leistungsfähig wie nötig zu sein, nicht das Maximum zu erreichen.

Quellen

  • 1
    Specht D., Behrens S. (2008) Strategische Planung mit Roadmaps — Möglichkeiten für das Innovationsmanagement und die Personalbedarfsplanung. In: Möhrle M.G., Isenmann R. (eds) Technologie-Roadmapping. VDI-Buch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-74755-0_8
  • 2
    KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.
  • 3
    KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.
  • 4
    KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.
  • 5
    KOLTZE, Karl; SOUCHKOV, Valeri. Systematische Innovation: TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG, 2011.
  • 6
    Löffler K. (2013) Technische Limits. In: Abele T. (eds) Suchfeldbestimmung und Ideenbewertung. FOM-Edition (FOM Hochschule für Ökonomie & Management). Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02184-9_3
  • 7
    https://www.gartner.de/de/methoden/hype-cycle
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