Stellen dir vor, der Chef verkündet plötzlich eine neue Unternehmensstrategie. Du – und auch keiner deiner Kollegen wusste, dass er eine neue entwickelt. Niemand konnte zu ihr seine Meinung äußern und verstehen tut sie auch keiner so richtig. Die Folge ist Frust und Motivationsverlust. Leider ist das in vielen Unternehmen Realität.
In diesem Artikel zeige ich dir eine alternative: Mitarbeiter einbeziehen. Dieser neue Trend bei der Strategiefindung bricht mit dem bisherigen Vorgehen, sondern bietet auch wirtschaftliche Vorteile.
Inhalt
Im Elfenbeinturm geplant, von keinem verstanden
Eine Unternehmensstrategie ist ein unverzichtbarer Kompass, der Mitarbeitern den richtigen Weg weist. Sie unterstützt Mitarbeiter dabei, Entscheidungen zu treffen, Ressourcen richtig einzusetzen und die richtigen Prioritäten zu setzen.
Die Welt der Unternehmensstrategie ist im ständigen Wandel. Tools, Methoden und Frameworks kommen und gehen. Doch seit Anbeginn der Zeit Ist eine Sache gleich: Strategiefindung im Unternehmen ist ein Projekt der Eliten! Die oberste Führungsriege entscheidet und der Rest setzt sie um.
In vielen Unternehmen schließt sich eine kleine Gruppe von Führungskräften – oder nur ein einzelner – ein und kommt mit einer neuen Strategie aus dem Raum. Diese Leute erwarten dann, dass alle im Unternehmen ihrer Weisheit vertrauen und ihr „Baby“ umsetzen.
Wer von seinen Mitarbeitern erwartet, sich auf etwas einlassen, das sie nicht verstehen, verlangt von ihnen blinden Gehorsam. Mitarbeiter kennen nicht alle Überlegungen, die in die Strategie geflossen sind. 95 % der Mitarbeiter wissen nicht einmal, wie die Strategie des Unternehmens aussieht. In solch einem Umfeld entfaltet eine Strategie nicht ihre volle Wirkung, wenn sie überhaupt eine hat.
Die Mitarbeiter einbeziehen
Doch das ändert sich in letzter Zeit: Mehr und mehr Unternehmensführungen beziehen Mitarbeiter aller Ebenen in strategische Entscheidungsprozesse mit ein. Hema ist so ein Fall. Die neue CEO Saskia Egas Reparaz der niederländische Warenhauskette ließ die gesamte Belegschaft über die strategische Ausrichtung abstimmen. Das Unternehmen hatte 19.000 Mitarbeiter und produzierte 2020 einen Verlust von 215 Millionen €.
Hema als Beispiel
Im Juni 2021 übernahm Saskia Egas Reparaz als CEO und leitete einen Turnaround ein. Unter ihrer Führung konzentrierte sich Hema auf seine Kernmärkte in den Benelux-Ländern und Frankreich, schloss unrentable Filialen und zog sich aus Spanien zurück. Die neue Strategie umfasste auch Investitionen in einen Omnichannel-Ansatz, die Fokussierung auf nachhaltige Qualitätsprodukte mit typisch niederländischem Design und den Ausbau der strategischen Zusammenarbeit mit dem Supermarktunternehmen Jumbo.
Diese Maßnahmen zeigten schnell Wirkung:
- Ende 2021 war das Unternehmen wieder profitabel.
- 2022 stiegen die Bruttoverkäufe um 20% auf 1,966 Milliarden Euro. Die Kundenzahl in Filialen und Online wuchs 2022 um fast 35%.
- 2023 setzte sich der Erfolg fort mit einem Anstieg der Bruttoverkäufe um 7,4% auf 2,112 Milliarden Euro.
Zusammen mit den Mitarbeitern
Was macht diesem Strategie-Pivot besonders? Saskia Egas Reparaz beteiligte alle Mitarbeiter an der Ausarbeitung der Strategie. Sie investierte die nötige Zeit, um allen Menschen im Unternehmen die neue Strategie nahe zu bringen. Die Geschichte dahinter war so einfach wie effektiv: „Hema wird wieder Hema sein”. Egas Reparaz löste so in weiteres Problem normaler Strategiefindung: Die Mitarbeiter kennen die Strategie.
Ein neuer Trend?
Die Geschichte von Hema ist kein Einzelfall. Eine Studie von EY-Parthenon zeigt, dass etwa 1/3tel der Unternehmen, die wirtschaftlich erfolgreicher sind als ihre Konkurrenz, diese Ansatz wählen. Mitarbeiter in den Prozess einzubinden ist ein natürlicher Schritt bei einer offenen Strategiefindung. Sie sind ein wichtiger Stakeholder am Unternehmen. Ohne sie gibt es keins.
Dr. Andreas Enders, Managing Partner von EY-Parthenon, sagt dazu: „Auch in unserer täglichen Arbeit sehen wir, dass immer mehr Führungskräfte auf einen Paradigmenwechsel setzen, indem sie die Einbindung von Mitarbeiter:innen verschiedener Hierarchie-Stufen in den Strategieprozess fördern.“
Was macht Mitarbeiter besonders?
Mitarbeiter haben den meisten Kundenkontakt, interagieren mit dem Umfeld und wissen am besten, was funktioniert und was nicht. Daher ist es wichtig, sie am Strategieprozess zu beteiligen und ihre Rückmeldung einzubeziehen. Eine Strategie ist das Ergebnis von Experimenten und Anpassungen. Dazu müssen die Mitarbeiter dauerhaft an der Strategiefindung beteiligt sein und ihr Feedback in die neuen Überlegungen einfließen.
Wie können sie eingebunden werden?
Laut Enders nutzen Unternehmen zur Mitarbeitereinbindung vor allem drei Methoden:
- Strategy Jams
- Employee Listening-Programme
- Ideenwettbewerbe
Strategy Jams
Strategy Jams sind interaktive Online-Events, bei denen Mitarbeiter aus verschiedenen Hierarchieebenen und Abteilungen eines Unternehmens zusammenkommen, um gemeinsam an strategischen Fragestellungen zu arbeiten. Sie führen zu einer breiten Beteiligung, helfen verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen. Die Diskussion ist transparent; Ideen und Feedback können schnell gesammelt und verarbeitet werden.
Employee Listening-Programme
Employee Listening-Programme sind strukturierte Initiativen, die verschiedene Methoden und Technologien nutzen, um regelmäßig die Meinungen, Erfahrungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erfassen und zu analysieren. Es handelt sich nicht um einmalige Aktionen, sondern um einen fortlaufenden Prozess, der in die Unternehmenskultur integriert wird. Diese Programme kombinieren verschiedene Ansätze, wie zum Beispiel:
- Interviews
- Befragungen und
- Digitale Feedback-Plattformen
Ideenwettbewerbe
Ideenwettbewerbe sind ein wichtiges Instrument der Unternehmensentwicklung. Sie fördern die Kreativität und Innovationskraft der Mitarbeiter und helfen, neue Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden. Die besten Ideen werden umgesetzt und tragen so maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens bei.
Probleme bei der Einbindung
Die Einbindung von Mitarbeitern in die Strategiefindung ist dabei kein Selbstläufer. Es gibt auch Risiken.
Öffentliche Strategie
Die Strategie ist praktisch sofort öffentlich. Eure Konkurrenz kennst sie damit. Allerdings muss dies nichts schlechtes sein. Venture Kapitalgeber stehen vor einem ähnlichen Problem:
- Eine geheime Strategie kann von der Konkurrenz nicht kopiert werden. Um sie zu kontern muss der Markt sie erstmal erkennen.
- Eine bekannte Strategie zieht gleichgesinnte und Partner an. Sie ermöglicht Netzwerk- und Hebeleffekte.
Beides sind valide Möglichkeiten. Die Entscheidung zwischen Transparenz und Diskretion hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Konkurrenz, der Reife von Technologie und der eigenen Stellung im Markt.
Letztendlich liegt der Schlüssel zum Erfolg oft nicht in der Geheimhaltung der Strategie, sondern in der überlegenen Umsetzung und dem Aufbau nachhaltiger Beziehungen im Ökosystem. Eine gut kommunizierte Strategie ist dabei ein entscheidender Faktor, um das richtige Netzwerk aufzubauen und als vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen zu werden.
Konflikte
In Unternehmen gibt es oft unterschiedliche Abteilungen oder Hierarchieebenen mit verschiedenen Interessen und Prioritäten. Das kann zu Ziel- und Machtkonflikten führen. Es ist nicht einfach, mit diesen Unterschieden umzugehen. Sie können zu Ziel-, Macht- und Ressourcenkonflikten führen, die, wenn nicht richtig gemanagt, die Effizienz und Effektivität eines Unternehmens beeinträchtigen.
Konflikte sind nicht per se negativ. Im Gegenteil: Sie bergen auch Chancen. Wenn sie konstruktiv genutzt werden, können sie zu innovativen Lösungen führen. Sie fördern die Kreativität, decken blinde Flecken auf und verbessern letztendlich die Qualität der Entscheidung. Konflikte müssen als Gelegenheit betrachtet werden, um ein besseres Verständnis der verschiedenen Perspektiven im Unternehmen zu entwickeln.
Zielführend ist die Integration verschiedener Interessen indem Synergien gesucht oder die Kompromisse gefunden werden. Das Management spielt eine entscheidende Rolle bei der Moderation solcher Zielkonflikte. Es sollte einen offenen Dialog fördern, verschiedene Perspektiven berücksichtigen und eine klare Richtung vorgeben.
Letztendlich geht es darum, die Vielfalt der Perspektiven und Interessen als Stärke zu nutzen. Wenn Sie es schaffen, die unterschiedlichen Sichtweisen zu integrieren und Konflikte konstruktiv zu managen, werden Sie die Unternehmensrealität besser verstehen und innovative, ganzheitliche Lösungen entwickeln. Das kostet zwar Zeit und Energie, zahlt sich aber langfristig aus. Ihre Strategie wird besser, die Mitarbeiterzufriedenheit steigt und Sie werden effizienter und produktiver.
Zeitaufwand
Wer kennt es nicht, nicht enden wollende Diskussionen. Je mehr Leute ihre Meinung zur Strategie äußern, desto eher enden wir in einer endlosen Schleife, gefangen in einem Labyrinth der Ideen. Jeder neue Beitrag eröffnet weitere Fragen und Perspektiven, anstatt zu einer Lösung zu führen.
Die ursprüngliche Absicht, eine effektive Strategie zu entwickeln, gerät in den Hintergrund. Stattdessen dreht sich alles um das Verteidigen von Standpunkten, das Hinterfragen von Annahmen und das Einbringen immer neuer Aspekte. Die Diskussion wird zum Selbstzweck, ein intellektuelles Karussell, das sich immer schneller dreht. Je länger dieser Prozess andauert, desto schwieriger wird es, den Überblick zu behalten.
Das Management muss den Schritt vom Reden zum Tun einläuten. Dabei muss beachtet werden, dass eine Strategie kein unveränderbares Dogma ist, sondern sich im Laufe der Zeit bewusst und unbewusst ändert. Wer seine Strategie als Hypothese betrachtet, läuft ohnehin weniger Gefahr eine perfekte Strategie entwickeln zu wollen und sich daher endlos in der Erstellung zu verheddern.
Dazu muss das Ergebnis der Strategiefindung überprüfbar sein und kontinuierlich gegen mit der Realität abgeglichen werden. Es braucht Feedbackloops und andauernde Kommunikation. Aber dies gilt für jede Strategie, egal ob mit Mitarbeiterbeteiligung oder ohne gefunden.
Fazit
Ich glaube, es ist Zeit die klassischen Methoden der strategische Planung zu überdenken. In einer schnelllebigen Geschäftswelt hilft es, verschiedene Meinungen zu berücksichtigen. Das ermöglicht bessere und innovativere Strategien – und vor allem bekannte. Strategie ist ein Prozess von experimentieren und anpasst. Deswegen sollten Mitarbeiter dauerhaft am Strategieprozess beteiligt sein. Ohne ihr Feedback fehlt ein wichtiger Blickwinkel als Quelle für neue Ideen.
Was denkst du darüber? Ich würde gern wissen: Ist so ein Ansatz in deinem Unternehmen denkbar. Welche Herausforderungen und Chancen seht ihr? Hinterlast einen Kommentar mit deinem Kommentar unter dem Artikel oder schreib mir auf LinkedIn.