Strategie – ein Begriff, der in der Geschäftswelt allgegenwärtig ist. Von strategischen Projekten über Planungen bis hin zu Sitzungen – alles trägt dieses Etikett. Doch was verbirgt sich hinter diesem vielzitierten Konzept? Überraschenderweise herrscht darüber mehr Unklarheit als man vermuten würde.
Viele verwechseln simple Planung mit echtem strategischem Denken – ein Irrtum, der weitreichende Konsequenzen haben kann. In diesem Artikel werden wir gemeinsam ergründen, was Strategie tatsächlich bedeutet und welche Denkweise sie erfordert. Wir werden die gängigen Missverständnisse aufdecken und ein klareres Bild davon zeichnen, wie effektive Strategie aussieht und funktioniert.
Inhalt
Strategie ist alt
Das Wort Strategie leitet sich vom griechischen strategos ab, was sich aus den Worten stratos für Heer und agein für führen zusammensetzt. Das verrät uns den Ursprung des Konzepts: Das Militär. Und dort haben strategische Überlegungen eine lange Historie. Der chinesische General Sunzi schrieb Die Kunst des Krieges vor rund 2.500 Jahren. In der Neuzeit wurde das Thema immer wichtiger. Im 19. Jahrhundert sind große Denker wie von Clausewitz und von Molke zu nennen. Vor allem Letzterer hat einen Strategiebegriff geprägt, der noch heute relevant ist. In der Wirtschaft wurde der Begriff in den 50er Jahren in den Business Policy-Kurs an der Harvard Business School aufgenommen. Seitdem haben sich viele Theoretiker und Praktiker mit Strategie beschäftigt. Dort sind Michael E. Porter, Henry Mitzberg oder Roger Martin zu nennen.
Vordenker sind zeitlos
Wie angesprochen ist von Moltkes Verständnis von Strategie heute noch bedeutend. Er definierte Strategie als „ein System der Aushülfen. Sie ist mehr als Wissenschaft, ist die Übertragung des Wissens auf das praktische Leben, die Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen, ist die Kunst des Handelns unter dem Druck der schwierigsten Bedingungen.“ Große Worte für jemanden, den seine Zeitgenossen als großen Schweiger kannten. Seine Anmerkung, dass Strategie mehr als Wissenschaft ist, wird erst richtig verständlich, wenn wir ihn mit der vorherrschenden Lehrmeinung des 19. Jahrhunderts vergleichen. Damals wurde Strategie als eine auf festen wissenschaftlichen Prinzipien basierende Disziplin betrachtet. Von Moltke argumentierte, dass die Komplexität und Dynamik realer Konflikte nicht allein durch theoretische Modelle erfasst werden können, sondern eine flexible Anwendung des Wissens in der Praxis erfordern. Diese Diskussion führen wir heute immer noch, weil ein großer Teil der Welt nicht anerkennt, dass die Realität zu komplex und dynamisch für Vorhersagen ist.
Immer noch relevant
Relevant sind seine Gedanken zur Strategie heute noch. Das wird deutlich, wenn wir uns die einzelnen Aspekte seiner Definition ansehen:
- Strategie ist mehr als reine Wissenschaft – sie erfordert die praktische Anwendung von Wissen in realen Situationen.
- Strategie beinhaltet die kontinuierliche Weiterentwicklung und Anpassung eines ursprünglichen leitenden Gedankens, um sich ständig ändernden Umständen gerecht zu werden.
- Strategie ist die Kunst des Handelns unter schwierigen und herausfordernden Bedingungen – sie erfordert Flexibilität und die Fähigkeit, unter Druck effektiv zu agieren.
Wen schwirren jetzt Worte wie agile, Adaptive Leadership, pivot, Iterative Strategy oder Resilience durch den Kopf? Von Moltke kannte die Worte nicht, aber wusste schon im 19. Jahrhundert um die Bedeutung der Konzepte.
Moderne Strategie
Nachdem das Konzept der Strategie ursprünglich aus dem Militärischen stammt, hat es seit einiger Zeit auch in der Wirtschaft Einzug gehalten. Erfolgreiche Unternehmen denken strategisch. Egal ob Konzern oder Kleinbetrieb – eine klare Strategie zahlt sich aus. Doch wie genau definieren Experten Strategie im Unternehmenskontext?
- Michael Porter sieht darin die Wahl einer einzigartigen Positionierung, um sich von Wettbewerbern abzuheben.
- Für Roger Martin sind es kraftvolle, integrierte Entscheidungen zur erfolgreichen Unternehmensausrichtung.
Sie nennen es Strategie…
Eines haben alle Sichtweisen gemeinsam: Strategie ist kein starrer Plan, sondern aktive Gestaltung. Sie orientiert sich am Gesamten, nicht an Einzelpersonen. Strategie bedeutet, bewusst Entscheidungen darüber zu treffen, welches Spiel wir spielen, auf welchem Spielfeld wir antreten und wie wir in diesem Spiel gewinnen wollen.
Dabei muss sie handlungsleitend sein und auf allen Ebenen Orientierung bieten. Eine handlungsleitende Strategie gibt jedem im Unternehmen klare Richtlinien für Entscheidungen. Wenn jemand vor einer Entscheidung steht, hilft die Strategie dabei, im Sinne des Unternehmens zu handeln. Sie fungiert als Leitfaden für Entscheidungen auf allen Ebenen des Unternehmens. Dies macht auch deutlich, was keine Strategie ist und warum viele Diskussionen darüber oft ins Leere laufen:
- Pläne sind keine Strategie
- Ziele sind keine Strategie
- Bullshit-Bingo BlaBla ist keine Strategie
Planung ist keine Strategie
Viele verwechseln Planung mit strategischem Denken. Manager halten oft Zahlenspiele und Sammeln von Daten für kreatives und intuitives strategisches Denken. Sie legen zu viel Wert auf genaue Zahlen und Daten und ignorieren dabei die Qualität und Relevanz von Informationen, die durch subjektive Beobachtungen und Intuition gewonnen werden. Das führt dazu, dass Analyse und Prognose überbetont werden, während die kreativen und intuitiven Aspekte des strategischen Denkens vernachlässigt werden.
Ziele sind keine Strategie
Ein häufiger Fehler in Strategiediskussionen ist es über Ziele zu sprechen. Häufig verwechseln Manager beides miteinander. Trennt Strategie- von Ziel-Diskussionen.
Habt ihr einen separaten Strategieprozess oder eine separate Strategieroutine, die sich von der Metrik- und Zielsetzung unterscheidet? Wenn ja: Glückwunsch, du bist auf dem richtigen Weg. Wenn nein: Bring deinen Mitstreitern bei, dass Ziele und Strategie unterschiedliche Dinge sind und nicht miteinander verwechselt werden sollten.
Das gilt auch für OKRs1Objectives and Key Results – die auch nichts anderes sind als Ziele. Sie können helfen die Strategie umzusetzen und zu verbessern, sind aber kein Ersatz für eine umfassende Unternehmens- bzw. Innovationsstrategie.
BlaBla ist keine Strategie
Nur eine umgesetzte Strategie kann erfolgreich sein. Folglich müssen alle im Unternehmen sich für sie engagieren. Leider kennen wenig Mitarbeiter die Strategie ihres Unternehmens, verstehen sie nicht oder sie ist nutzlos. Strategien nehmen häufig eines der beiden Extreme an:
- „Wir machen alles für Geld, außer für Firma x – für die machen wir nix.“
- Ein 300 Seiten Buch; beschreibt meist auch eine gewünschte Kultur im Unternehmen und Ziele.
Beides ist keine Leitlinie für gewünschte Handlungen. Wie soll jemand mit diesen Vorgaben entscheiden, priorisieren, Ressourcen verteilen und zielgerichtet handeln?
Jede Sichtweise zählt
Beziehe das gesamte Unternehmen in die Diskussion ein. Nur so kannst du verschiedene Perspektiven berücksichtigen. Achte auf eine ausgewogene Mischung aus verschiedenen Abteilungen und Hierarchieebenen. Integriere sowohl Experten mit tiefgreifendem Fachwissen als auch jüngere Talente mit frischen Ideen. Stelle sicher, dass kreative Denker und analytische Köpfe gleichermaßen vertreten sind, um Innovation und Umsetzbarkeit zu fördern. Beziehe Entscheidungsträger und potenzielle Umsetzer der Strategie mit ein, um Praxisnähe zu gewährleisten. Erwäge die Einbindung externer Berater oder Branchenexperten, um blinde Flecken zu vermeiden. Achte auf Diversität in Bezug auf Geschlecht, Alter und kulturellen Hintergrund, um ein breites Spektrum an Erfahrungen zu nutzen.
Mehr tanzen, weniger streiten
Strategiefindung ist ein komplexer Tanz, bei dem unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen harmonisch zusammengebracht werden müssen. Deine Aufgabe ist es, die Situation zu diagnostizieren und herauszufinden, was wirklich vor sich geht. Konzentriere dich auf das Wesentliche und entwickle Hypothesen darüber, wie die Dinge zusammenhängen. Diese Hypothesen sind der Startpunkt deiner Diagnose und helfen dir, kluge Entscheidungen zu treffen. Trau dich, tiefer zu graben und Zusammenhänge zu erkennen, um in diesem Tanz der Strategie sicher zu navigieren.
Jeder sieht was anderes
Wer eine Strategie operationalisiert, merkt schnell, dass sie eher interpretiert als umgesetzt wird. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen, Perspektiven und Weltbilder. Das führt zwangsläufig zu Unterschieden im Verständnis der Strategie und somit bei ihrer Anwendung. Sehen wir Strategie als Interpretation, landen wir schnell bei der emergenten Strategie von Mintzberg und Waters. Sie unterscheiden zwischen beabsichtigter und emergenter Strategie. Letztere entsteht aus den täglichen Aktivitäten und Entscheidungen innerhalb einer Organisation.
Die umgesetzte Strategie ist damit eine Mischung aus vorgegebener Strategie und kollektiver Interpretation. Mintzberg betont die Bedeutung von Flexibilität, organisatorischem Lernen und der Fähigkeit, sich an verändernde Umstände anzupassen. Das ist nicht schlechtes und bedeutet kein Kontrollverlust. Es bedeutet viel mehr das Mitarbeiter mitdenken. Das ist ein Weg, sich an die ständig wechselnde Umwelt anzupassen.
Strategisches Denken
Strategisches Denken ist keine magische Fähigkeit, sondern lässt sich trainieren und verbessern. Es geht über die Anwendung von Frameworks und das Beantworten von Fragen hinaus. Helmuth von Moltke sagte: „Strategie ist die Anwendung des gesunden Menschenverstandes.“ Professor Franz Liebl ergänzt, dass es darum geht, zu erkennen, „wann der gesunde Menschenverstand offenbar nicht am Werke ist.„
Dafür brauchst du vor allem drei Fähigkeiten:
- Systemisches Denken
- Adaptives Lernen
- Empathie und Perspektivübernahme
Systemisches Denken
Schärfe deine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen. Betrachte nicht nur einzelne Elemente, sondern das gesamte System und seine Wechselwirkungen. Übe dich darin, langfristige Konsequenzen von Entscheidungen abzuschätzen und ganzheitliche Lösungsansätze zu entwickeln. Stelle dir Fragen wie: Wie beeinflussen sich verschiedene Faktoren gegenseitig? Welche unbeabsichtigten Folgen könnten unsere Handlungen haben?
Adaptives Lernen
Entwickle eine Haltung des kontinuierlichen Lernens und der Anpassungsfähigkeit. Sei offen für neue Informationen und Erfahrungen und bereit, deine Annahmen zu hinterfragen. Reflektiere regelmäßig über deine Erfahrungen und ziehe Lehren daraus. Bleibe flexibel und bereit, deine Strategie anzupassen, wenn sich die Umstände ändern. Frage dich: Was können wir aus unseren Erfolgen und Misserfolgen lernen? Wie können wir uns schnell an neue Situationen anpassen?
Empathie und Perspektivenübernahme
Kultiviere die Fähigkeit, dich in andere hineinzuversetzen und verschiedene Sichtweisen zu verstehen. Höre aktiv zu und versuche, die Bedürfnisse, Motivationen und Weltbilder anderer zu erfassen. Berücksichtige bei der Strategieentwicklung die unterschiedlichen Interpretationen und Perspektiven der beteiligten Akteure. Stelle dir Fragen wie: Wie sehen andere Stakeholder diese Situation? Welche unterschiedlichen Interpretationen unserer Strategie könnte es geben?
Fazit
So alt wie strategische Überlegungen sind, ist es überraschend, wie sich die guten Konzepte gleichen. Ob im antiken Militär oder in der modernen Geschäftswelt – die Grundprinzipien einer erfolgreichen Strategie bleiben konstant. Es geht immer darum, die Situation genau zu analysieren, die richtigen Entscheidungen zu treffen und flexibel auf Veränderungen zu reagieren.
Strategie ist mehr als nur ein Plan; sie ist ein dynamischer Prozess, der das gesamte Unternehmen einbezieht. Sie verlangt nach einer klaren Vision, einer sorgfältigen Diagnose der aktuellen Lage und der Fähigkeit, verschiedene Perspektiven zu integrieren. Nur so kann eine Strategie handlungsleitend sein und auf allen Ebenen des Unternehmens Orientierung bieten. Die Kunst der Strategie liegt darin, bewusst zu entscheiden, welches Spiel man spielt, auf welchem Spielfeld man antritt und wie man in diesem Spiel gewinnen will.
Dabei ist es entscheidend, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Hypothesen über die Zusammenhänge zu entwickeln. Letztlich zeigt sich der wahre Wert einer Strategie darin, wie gut sie das Unternehmen in die Lage versetzt, kluge Entscheidungen zu treffen und sich von der Konkurrenz abzuheben.
Kluge Auswahl statt endloser Planung – das ist der Kern guter Strategie.
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Quellen
- 1Objectives and Key Results