Ein Innovationsvorhaben anzugehen ist so ähnlich wie mit einem klaren Ziel ein dunkles und unbekanntes Labyrinth zu durchqueren. Klar wissen wir, wo wir hinwollen: Zu einem erfolgreichen Produkt. Aber den Weg kennen wir nicht genau und zwischendurch warten noch Fallen und Stolpersteine. Wie hilfreich wäre es, wenn wir wie der zweiköpfige Gott Janus in zwei Richtungen blicken können – mit einem Blick in das Unternehmen und mit einem nach außen?
Genau das können und müssen Innovatoren tun: immer einen Blick nach innen richten, um die Unterstützung des Unternehmens zu sichern, und gleichzeitig nach außen schauen, um die Bedürfnisse des Marktes zu verstehen.
Inhalt
Das nach innen gerichtete Gesicht: Interne Unterstützung
Als Innovator müssen wir immer den Blick nach innen richten. Mit ihm versichern wir uns der Unterstützung durch die oberste Führungsebene des Unternehmens. Ihre Unterstützung ist entscheidend für den Erfolg der Innovation. Sie halten uns den Rücken frei und helfen uns, den Weg durch das dunkle Labyrinth zu suchen. Das Top-Management wird eurer Idee nur ein Go geben und es unterstützen, wenn die Innovations-Idee zur Vision und Strategie des Unternehmens passt.
Über Lippenbekenntnisse hinaus: Aktive Unterstützung
Die Unterstützung muss über reine Willenserklärungen hinausgehen: Die Führungsebene muss sich aktiv mit der Innovation beschäftigen, proaktive interne Hindernisse beseitigen und mehr sein als nur Auftraggeber. Eine halbherzige Zustimmung ist eine Ablehnung. Nur weil das Top-Management eurer Idee ein Go gegeben hat, bedeutet das nicht, dass es diese unterstützt. Dabei muss kein Konsens herrschen: Disagree and commit reicht völlig – wenn es ernsthaft gelebt wird.
„Inability to make decisions is one of the principal reasons executives fail. Deficiency in decision-making ranks much higher than lack of specific knowledge or technical know-how as an indicator of leadership failure.“
John C. Maxwell
Innovationen verändern Unternehmen
Die Unterstützung ist nötig, da Innovation Unternehmen verändern. Diese Veränderungen kommen nicht umsonst. Sie erfordern interne Auseinandersetzungen um Ressourcen zwischen bestehendem Geschäft und Innovation, Umstrukturierungen, Ausgliedern oder Abwickeln von alten Aktivitäten. Selbst wenn die Innovation parallel zum bestehenden Geschäft geführt wird, ist da ein „Rivale“ im eigenen Haus.
Jede Veränderung hat tiefgreifenden Einfluss auf ein Unternehmen. Änderungen im Fertigungsverfahren, neue Märkte, andere Technologien oder ein neues Geschäftsmodell – je nachdem wie stark die Änderung ist, kann es in eine Identitätskrise rutschen. Hersteller von Produkten werden Servicedienstleister. Serviceunternehmen bieten ihre Leistung als Productive Service an. Anbieter für DVDs im Leih-Abo werden zu Streamingdiensten. Der Automatisierungsgrad in der Fertigung nimmt zu.
Fallbeispiel: Slacks radikaler Richtungswechsel
Ein Beispiel liefert Slack, das nicht nur sein Geschäftsmodell, sondern seine gesamte Identität änderte. Der Anbieter des gleichnamigen Kommunikationstools war ursprünglich ein Spieleentwickler. Nach der Gründung 2009 scheiterte das Projekt, ein Spiel zu entwickeln. Stattdessen nutzten die Entwickler ihr intern entwickeltes Kommunikationstool, um ein eigenständiges Produkt zu erstellen. Im August 2013 war das Unternehmen kein Spiele- sondern ein Kommunikationstoolentwickler.
„If you don’t continually redefine your identity, you will lose your connection to your customers.“
Howard Schultz (Starbucks)
Die Rolle des Innovators in Veränderungsprozessen
Diese Konflikte und Identitätskrisen kann nur das Top-Management lösen. Als Innovator ist es nicht unsere Aufgabe diese Krisen zu lösen, sondern proaktiv das Management darauf vorzubereiten und Lösungen zu entwickeln. Für Innovation bedeutet das, sich vorab mit den Änderungen am Unternehmen zu beschäftigen und zu klären, ob das Top-Management bereit ist, das nötige zu tun.
Das nach außen gerichtete Gesicht: Zielgruppe und Konkurrenz
Als Innovator müssen wir immer den Blick nach außen richten. Die Techniken und Methoden sind unsere Taschenlampe im dunklen Labyrinth. Sie helfen uns den Weg zu finden und Falltüren zu umgehen. Wenn wir nach außen schauen, schielen wir:
- Mit einem Auge versichern wir uns der Akzeptanz der Zielgruppe.
- Mit dem anderen prüfen wir die Reaktion der Konkurrenz.
Blick auf die Zielgruppe
Das auf die Zielgruppe gerichtete Auge hilft, Lösungen zu entwickeln, die Kunden finden. Um Innovationen erfolgreich umzusetzen, müssen Kunden bzw. Nutzer einen klaren Vorteil erkennen und bereit sein, dafür zu bezahlen.
Die Zielgruppe verstehen
Wir dürfen dabei nicht unsere Vorstellung von den Problemen der Zielgruppe mit der Realität verwechseln. Sie hat einen viel weiteren Blick auf ihr Problem, hat schon einiges zur Lösung probiert und kennt die Einschränkung, denen die Lösung unterliegt.
Auch Versuche die Zielgruppe von unserer Idee zu überzeugen sind falsch. Wir müssen aufmerksam zuhören und offene Fragen zu ihren Problemen und Alltag stellen. Handlungen sprechen lauter als Worte: Was haben sie bereits unternommen, um ihr Problem zu lösen? Wie viel Zeit oder Geld haben sie dafür investiert?
Die Tatsache, dass ein Kunde ein Problem hat, bedeutet nicht, dass er für eine Lösung zahlt. Wenn er noch nie etwas in die Lösung seines Problems investiert hat, dann wird er dies auch in Zukunft nur in den seltensten Fällen tun. Wenn er andererseits Ressourcen in wenig hilfreiche, improvisierte oder halbherzige Lösungen investiert, ist dies eine Chance.
„The aim of marketing is to know and understand the customer so well the product or service fits him and sells itself.“
Peter Drucker
Im Fuzzy-Front-End
Trotz aller Verbundenheit mit der Zielgruppe starten wir nicht einfach ein Innovationsvorhaben. Es ist wenig so frustrierend, wie mit vollem Elan eine nette, letztlich überflüssige Lösung zu entwickeln.
Im Fuzzy-Front-End testen wir unsere Idee mit möglichst wenig Aufwand, mittels Pretotype, MVP oder anderen Methoden. Sind wir uns sicher, dass es das Problem gibt, das wir lösen wollen, unsere Idee das Problem löst und jemand bereit ist, für die Lösung zu bezahlen, können wir loslegen. Drew Houston nutzte ein Video als Pretotype, um seine Idee von Dropbox zu zeigen.
Das Video war so erfolgreich, dass die Entwicklung des eigentlichen Produkts startete. Houston erstellte diesen Pretotype innerhalb eines Tages. Dieses Vorgehen ersparte ihm Monate oder Jahre an Entwicklungszeit für ein Produkt, das vielleicht niemand gewollt hätte. Houston validierte die Nachfrage und verfeinerte das Konzept, bevor er Ressourcen in die eigentliche Entwicklung investierte.
Marktdurchdringung und sich ändernde Zielgruppen
Mit fortschreitender Marktdurchdringung ändern sich zwei wesentliche Dinge für euer Innovationsvorhaben:
- Die Zielgruppe wird anspruchsvoller und sucht eine fertige Lösung, keine Idee.
- Die Zielgruppe wird größer.
Den ersten Nutzern ist ihr Problem so wichtig, dass sie bereit sind, „unfertige“ und nicht perfekte Lösungen zu probieren. Mit deren Hilfe bauen wir eine fertige Lösung, die auch für einen breiteren Markt geeignet ist.
Dies Lösung adressiert Nutzer, die einen Vorteil vor ihrer Konkurrenz wollen und unsere dafür auswählen. Mit zunehmender Marktdurchdringung ändert sich das Innovationsvorhaben vom Projekt zum Produkt, also weg von individuellen Lösungen hin zu wiederholbaren.
An einem solchen Punkt ist die xcelerator-Plattform, mit der Siemens verschiedene Softwarelösungen, Services und Entwicklungswerkzeuge bündelt. Die Startphase ist vorüber und die der digitale Business-Plattform soll skaliert werden. Dies erfordert andere Instrumente und Methoden als die Suche nach Erstnutzern.
Die Zielgruppe will jetzt nicht mehr unsere Lösung, sondern die, die ihrer Konkurrenz einen Vorteil bietet. Das bedeutet, es braucht ein anderes Vorgehen im Unternehmen. Weniger Flexibilität, mehr Prozess. Irgendwann ist unsere Idee kein Projekt mehr, sondern ein Produkt, das mit großer Effizienz verwertet wird. Wir müssen uns viel mehr auf quantitative Daten verlassen und können nur noch mit ausgewählten Nutzern einen direkten persönlichen Kontakt halten.
„In a world where customers can change their minds, we must be willing to change ours.“
Jeff Bezos (Amazon)
Interne Innovationen und deren Bedeutung
Jetzt betrifft nicht jede Innovation den externen Kunden. Interne Innovationen, wie eine neue Fertigungstechnologie, beeinflussen den Kundennutzen nicht direkt, sind jedoch essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Wir konzentrieren uns in diesen Situationen auf die internen Kunden, das heißt Abteilungen oder Mitarbeiter, die von der Innovation profitieren. Der Ablauf bleibt gleich: Analyse der Zielgruppe, erstellen der Lösungen und diese vor der breiteren Implementierung überprüfen. Es ist von Bedeutung, auch hier deutlich den Vorteil zu vermitteln und die Zustimmung der internen Beteiligten zu bekommen.
Blick auf die Konkurrenz
Das andere Auge muss sich auf die anderen Marktteilnehmer richten. Jede Innovation soll die Position des eigenen Unternehmens auf dem Markt verbessern oder einen neuen schaffen. Idealerweise schaffen Innovationen langfristige Wettbewerbsvorteile, die schwer nachzuahmen sind. Je nachdem wie der Markt agiert oder auf eure Innovation reagiert, muss auf dies berücksichtigt werden.
Aktuelle und zukünftige Trends
Wir beobachten nicht nur die aktuellen Angebote der Wettbewerber, sondern denken auch zukünftige Schritte voraus. Verlässt ein Mitbewerber seine Heimatnische? Ändert einer sein Geschäftsmodell? Wechseln Kunden an den Enden des Spektrums, also besonders große oder kleine?
Eine Innovation kann zu neuen Konkurrenten führen. Als Amazon AWS einführte, konkurrierte es nicht mehr nur mit Einzelhändlern, Versandhäusern, Teleshopping und Ebay, sondern mit Cloud-Unternehmen wie IBM und Google.
Proaktive Strategien
Generell gilt: Die Konkurrenz wartet nicht auf unsere Innovation, sondern versucht selbst proaktiv zu handeln. Egal wie schnell wir sind, der Markt als Ganzes ist schneller, aber nicht zwingend besser. Innovatoren müssen diese Veränderungen am Markt beobachten und darauf reagieren. Hierfür braucht es Feedbackschleifen und kontinuierliche Abstimmung mit dem Top-Management.
Nicht hypnotisieren lassen
Grundsätzlich darf der nach außen gerichtete Blick nicht zu einer Analysewut führen. Er liefert einen Eindruck der Probleme und Wünsche der Zielgruppe, sowie der Aktionen der Konkurrenz.
Der Blick nach außen ist immer ein Balanceakt zwischen dem Streben nach möglichst genauen Informationen und der Akzeptanz von Unsicherheiten. Ab einem Punkt kippt der Nutzen und die Kosten übersteigen diesen. Es ist somit auch eine strategische Entscheidung, wie intensiv der nach außen gerichtete Blick ist und welche blinden Flecken akzeptabel sind. Meist ist ein verhaltener Optimismus die beste Herangehensweise.
Zwei Köpfe vereinen: Der Weg zum Erfolg
Nachdem wir uns mit der Bedeutung von internem und externem Blick beschäftigt haben, ist klar: Der Weg zum Erfolg führt über die Vereinigung beider Perspektiven.
Innovation bedeutet nicht, eine gute Idee umzusetzen, sondern eine wirtschaftliche Lösung zu entwickeln. Gleichzeitig nach außen und innen zu blicken, ist eine Voraussetzung dafür, denn es braucht sowohl einen Markt als auch Unterstützung vom Top-Management.
Egal wieviel Potential unsere Idee hat, wenn das Unternehmen den Weg nicht mitgehen kann oder will, wird das Vorhaben scheitern. Genauso nützt ein euphorisches Unternehmen nichts, wenn unsere Lösung keinen Abnehmer findet, oder unsere Konkurrenz schneller ist, und uns aus der Nische verdrängt.
„To be successful, we must continuously reinvent ourselves and our business.“
Reed Hastings (Netflix)
Wer Markt und Unternehmen gleichzeitig im Blick behält, kann neue Märkte schaffen, bestehende revolutionieren und den Konkurrenten voraus sein. Dafür braucht es Marktverständnis und interne Unterstützung. Eine Balance zwischen Vision und Realität, zwischen Mut und Umsicht, ist dafür entscheidend.
Welche Erfahrungen hast du mit der Balance zwischen internen und externen Faktoren in deinem Innovationsvorhaben – bist du wie Janus? Kommentier unter dem Artikel oder schreib mir auf LinkedIn.