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Regeln brechen = Innovativ sein?

Lesedauer 5 Minuten

„Move fast and break stuff” lautet seit Jahrzehnten das Mantra des Silicon Valley. Den Ansatz, bestehende Regeln einfach zu ignorieren hören auch Entscheider in etablierten Unternehmen. Doch so einfach ist es für sie nicht: Startups haben kein bestehendes Geschäftsmodell, keine existierenden Partner, Kunden und Vertriebswege, auf die sie Rücksicht nehmen müssen. Was also ist ein gangbarer Weg für etablierte Unternehmen?

Regeln sind überall

Regeln umgeben uns immer und überall. Keine Gruppe von Menschen kommt ohne Regeln und Grenzen aus. Jemand bestimmt sie, sie werden gemeinsam ausgehandelt oder sie entstehen unbewusst. Ohne Regeln ist ein Zusammenleben schlichtweg unmöglich.

Nicht alle Regeln schriftlich festgehalten. Der größte Teil ist findet sich in den Glaubenssätzen der Menschen: Wie wird eine Tätigkeit ausgeführt. Was ist adäquate Sprache.

Wann Regeln zum Hindernis werden

Regeln sind unerlässlich für die Zusammenarbeit. Warum sie also brechen? Nun, sie haben auch einige Nachteile.

Kontrollzwang

Viele glauben, dass das Problem, für das die Regel aufgestellt wurde, durch diese gelöst ist. Aber das ist ein Irrtum. Die Regel muss umgesetzt werden, und das erfordert Kontrolle. Und Kontrolle bedeutet Kosten, sowie die Botschaft an die Anwender: Wir vertrauen euch nicht. Der Grat zwischen übergriffigen Kontrollen und notwendiger Sanktion von Regelbrüchen ist schmal. Auch machen sich Kontrollen gerne selbstständig.

Regeln müssen kontrolliert werden,sonst sind sie wertlos

Die Bahn erhält beispielsweise eine benötigte Eigenkapitalerhöhung vom Bund, muss im Gegenzug aber wöchentlich über die Verwendung berichten. Hierfür muss die Bahn wahrscheinlich eine eigene Abteilung für den Bericht aufbauen. Hält das jemand für sinnvoll?

Überholte Regeln

Auf der anderen Seite kann sich das zugrunde liegende Problem verändern oder erledigen. Technischer Fortschritt und geänderte Anforderungen machen manche Regeln obsolet. Regeln haben somit ein Haltbarkeitsdatum. Regeln sind so lange nützlich, bis sie es nicht mehr sind.

Regeln brechen kann Freiheit gewähren

Beharrungsvermögen

Das „Das haben wir schon immer so gemacht“-Syndrom zeigt, wie tief verwurzelt unsere erlernten Verhaltensweisen und Überzeugungen sind. Diese unbewussten Regeln, die wir aus unseren Erfahrungen ableiten, beeinflussen unser Denken und Handeln mehr, als wir oft denken. Menschen halten an Dingen fest, die sie einmal als richtig gelernt haben.

If you always do what you’ve always done, you’ll always get what you’ve always got.“

Henry Ford

Das Potenzial des Regelbruchs

Bei all den Nachteilen, warum die Regeln nicht über den Haufen werfen? Ein Regelbruch bricht festgefahrene Denkmuster auf und eröffnet neue Perspektiven. Innovationen werden möglich, die über inkrementelle Verbesserungen hinausgehen und transformative Veränderungen bewirken können.

For any rules you accept of what you can and cannot do as an artist … of what your voice is and isn’t… of what’s required to do the work and what you don’t need. It would be worthwhile to try the opposite.

Rick Rubin

Bahnbrechende Erfindungen

Etablierte Regeln zu brechen kann zu bahnbrechenden Erfindungen führen. Wer bestehende Annahmen und Konventionen in Frage stellt, eröffnen neue Perspektiven und Lösungsansätze. Beispielsweise führte das Hinterfragen der Regeln der klassischen Physik zur Entwicklung der Quantenmechanik, die unser Verständnis der Welt grundlegend veränderte.

Innovative Geschäftsmodelle

Innovative Geschäftsmodelle setzen auf einen selektiven und fokussierten Regelbruch. Sie optimieren Aspekte des Geschäftsmodells, ohne ganze Branchen zu revolutionieren. Ein Beispiel ist das Freemium-Modell, bei dem Basisprodukte kostenlos angeboten werden, während für Premium-Funktionen bezahlt wird. Dieses Modell bricht mit der traditionellen Regel, dass Produkte immer einen Preis haben müssen, und eröffnet neue Möglichkeiten der Kundengewinnung und Monetarisierung.

Disruptive Strategien

Disruptive Strategien hingegen zeichnen sich durch einen radikalen, systemischen Regelbruch aus, der oft ganze Branchenlogiken in Frage stellt und zu tiefgreifenden Marktveränderungen führt. Unternehmen, die bereit sind, etablierte Geschäftspraktiken zu hinterfragen, können neue Märkte erschließen oder bestehende Märkte grundlegend verändern. Die Sharing Economy ist ein typisches Beispiel für eine disruptive Strategie. Unternehmen wie Airbnb und Uber haben durch den Bruch mit konventionellen Regeln der Hotellerie- und Taxibranche disruptive Geschäftsmodelle geschaffen, die traditionelle Eigentumskonzepte in Frage stellen und neue Nutzungsmodelle etablieren.

Der Nutzen von Regeln

Wenn der Regelbruch ein solches Potenzial hat, warum nutzen dann Unternehmen überhaupt Regeln. In Unternehmen begegnen wir zwei Arten von Regeln:

  1. Definierte Regeln
  2. Unausgesprochene Regeln

Definierte Regeln

Unternehmen nutzen vor allem definierte Regeln: Arbeitsanweisungen und Prozesse. Sie dienen Effizienzsteigerung, Qualitätssicherung und Risikominimierung; sollen Compliance sicherstellen und machen gewünschte Handlungen schulbar. Regeln nehmen den Mitarbeiter dabei die Entscheidungsfindung ab. Sie müssen keine eigenen Vorgehensweisen entwickeln.

Nicht jede Regel wird aufgeschrieben. Doch auch informelle Regeln können veralten.

Unausgesprochene Regeln

Unausgesprochene Regeln in Unternehmen nennen wir Unternehmenskultur. Sie umfassen unter anderem soziale Normen, Kommunikationskultur, Teamdynamik und Anpassungsfähigkeit. Diese ungeschriebenen Regeln ergänzen die formalen Regeln und beeinflussen den Erfolg und die Effizienz einer Organisation mindestens so sehr wie formale Regeln.

Balanceakt: Regeln hinterfragen und anpassen

Nicht jede Regel gehört gebrochen. Wer den Arbeitsschutz abschafft, da er nur Kosten verursacht, kann sich schon mal auf eine Reihe Prozesse einstellen. „Move fast and Break stuff“ kann bei einem Startup funktionieren. Etablierte Unternehmen sind oft durch langjährige Verträge und Abhängigkeiten eingeengt, als würden sie in einem Korsett aus Regeln gefangen sein.

Wer wahllos Regeln bricht, hinterlässt Chaos

Regeln sind dabei nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Wie bereits erwähnt, unterstützen sie Unternehmen dabei effizient zu arbeiten und Abläufe zu optimieren. Letztendlich streben alle Unternehmen danach, ihre Ressourcen so sparsam wie möglich einzusetzen. Nur so bleiben sie wettbewerbsfähig und werden nachhaltig erfolgreich. Dieses Ziel verfolgen nicht nur etablierte Firmen, sondern auch jedes Startup von Anfang an.

Learn the rules, break the rules, make up new rules, break the new rules.

Marvin Bell

Geordneter Regelbruch

Zu viele Regel gleichzeitig über den Haufen zu werfen destabilisiert ein Unternehmen. Das führt uns zu einem Paradoxon der Unternehmensführung: Innovation voranzutreiben durch gebrochene Regeln, ohne dabei das Unternehmens zu destabilisieren. Regelbrechendes Denken benötigt eine geordnete Form (eine Regel 😉) die das kreative Potenzial eines Unternehmens nutzt. Das Management muss eine Auswahl an Regeln treffen, deren Bruch tatsächlich zu Innovationen führen kann.

Der Schlüssel zum Erfolg ist die Balance zwischen Regelkonformität und kreativem Regelbruch. Die Kunst des gezielten Regelbruchs spielt dabei eine zentrale Rolle. Dabei geht es nicht darum, wahllos bestehenden Regeln zu ignorieren, sondern gezielt jene in Frage zu stellen, die Innovationen behindern. Durch bewusste und strategische Regelverletzungen können neue Perspektiven eröffnet und kreative Lösungen gefunden werden.

Fazit: Der Weg zu sinnvoller Innovation

Innovation ist ein Prozess, der auf der einen Seite Stabilität und auf der anderen Seite Flexibilität erfordert. Wenn Unternehmen diese beiden Seiten in eine gesunde Balance bringen, können sie ihr volles kreatives Potenzial entfalten und sich in einem sich schnell verändernden Markt behaupten.

Der Weg zu sinnvoller Innovation beginnt mit der Erkenntnis, dass Regeln nicht das Ende, sondern der Ausgangspunkt für Weiterentwicklung sind. Regeln bieten eine notwendige Struktur und Sicherheit, sind aber keine unveränderlichen Dogmen. Wenn man die Regeln regelmäßig überprüft und an die aktuellen Bedürfnisse und Herausforderungen anpasst, bleibt ein Unternehmen flexibel und anpassungsfähig. So kann man schnell auf Veränderungen im Marktumfeld reagieren und immer wieder neue Wege finden, um sich zu verbessern und zu wachsen.

Hast du Erfahrung mit gebrochenen Regeln? Wie nutzt du sie um Innovation voranzutreiben? Kommentier unter dem Artikel oder schreib mir auf LinkedIn.

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